Der Dirigent mit dem Skalpell

12.04.2018

Schönheitsoperationen boomen.

Das zeigt die steigende Zahl der Eingriffe – trotz Body-Positivity-Bewegung. Zeit für ein Gespräch in der aktuellen Ausgabe der Style mit Cédric A. George, dem Gründer der Klinik Pyramide in Zürich.

Dr. Cédric A. George

Style: Wer kommt denn so in Ihre Praxis?

Dr. George: Die Männer sind eher aus dem oberen Kader. Die Frauen stammen aus allen Kreisen. Wenn die Motivation hoch ist, spart man für einen Eingriff.

Der Beauty-Doc hat sich etabliert. Aber als solchen sehen Sie sich ja nicht.

Genau. Ich definiere mich nicht als Schönheitschirurgen, denn ich mache keinen Unterschied zwischen ästhetischer und sonstiger Chirurgie. Man fokussiert nie allein auf die Schönheit, sondern immer auch auf die Funktionalität. Wenn man jemandem eine schöne Nase macht, und er kann nicht mehr richtig atmen, ist das ein Problem. Und eine Brustkrebspatientin will nicht nur keinen Krebs mehr, sondern auch Lebensqualität, das heisst einen schönen Busen. Ärzte, die sich als Künstler betrachten, sind gut fürs Fernsehen. Aber mit seriöser Chirurgie hat das nichts zu tun. Ich sehe immer wieder Fälle, bei denen ich mich frage, was da um Gottes willen passiert ist.

Was sind denn die Kriterien für die Arztwahl?

Man muss eine Zweitmeinung einholen, sich fragen: Kenn ich jemanden, der von ihm operiert wurde und zufrieden ist? Ich staune über Leute, die für ein Möbelstück siebzehn Geschäfte abklappern, aber sich bei einer Operation für den billigsten Arzt entscheiden oder den, der sie am schnellsten nimmt. Dabei geht es doch um den eigenen Körper!

Was bieten Sie in der Klinik Pyramide, was man in einer anderen nicht kriegt?

Dazu hatte ich ein Schlüsselerlebnis. Ich musste mich einer so schwierigen wie schmerzhaften Schulteroperation unterziehen und kam in den Genuss unserer exzellenten Betreuung.

“Qualität ist nicht einfach das, was der Arzt, sondern das, was das Team bietet. Es muss dienen. Auch ich betrachte mich als Diener meiner Patienten.”
 

Nun, Sie sind der Chef, gibt sich da nicht jeder besonders Mühe?

Ja, so hätte ich denken können. Aber man merkt eben doch, wenn etwas natürlich passiert. Ich bin sehr glücklich, dass wir hier ein so gutes Team haben. Denn Qualität ist nicht nur das, was der Arzt, sondern das, was das ganze Team bietet. Und wer die Gesamtverantwortung trägt, ist der Dirigent. Er dirigiert sein Orchester, damit am Ende die Musik stimmt. Das geht aber nur, wenn das Personal die richtige Einstellung hat. Es muss dienen können. Ich betrachte mich auch als Diener meiner Patienten. Nur dann erhalten sie mehr als sonst wo. Wer schon mal im falschen Spital gelegen hat, weiss, was ich meine. Denn ob nach einer Krebs oder einer Schönheitsoperation – wenn man instabil ist und abhängig von der Umgebung, muss alles richtig laufen. Das ist nur möglich mit genügend Leuten, die am gleichen Strick ziehen, ihr Maximum geben und nicht einfach ihr Stundensoll erfüllen.

Was gab Ihnen, als Sie die Klinik gegründet haben, das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein?

Die Menschen. Als etwa eine Brustkrebspatientin, die eine Odyssee hinter sich hatte, am Boden zerstört in meine Sprechstunde kam und nach zwei Stunden erhobenen Hauptes lächelnd hinausging. Einen Patienten muss man beruhigen, dann ist er aufnahmefähig und fällt keine Panikentscheide, sondern weiss genau, worum es geht. Zur Privatmedizin gehört absolute Verfügbarkeit. Man ist auch nach einer OP erreichbar und gibt seine Handynummer.

Was hat sich in der ästhetischen Chirurgie in den letzten Jahren geändert?

Man hat heute viel feinere Instrumente, kann gewebeschonender arbeiten, hat dank neuer Techniken kürzere Operationen, und es braucht weniger Rekonvaleszenzzeit.

Beobachten Sie bei Ihrer Klientel Schönheitstrends?

Nein. Man macht etwas für sich. Meine häufigsten Eingriffe sind Facelifts, Lid- und Brustkorrekturen. Kaum jemand möchte einen Po wie Kim Kardashian. Dieses Gefühl wird von den Medien gepusht. Vielleicht führt die Figur von Kardashian dazu, dass alle mit einem grossen Po ein bisschen glücklicher sind.

Wie reagieren Sie, wenn jemand von einem Selbstoptimierungszwang getrieben ist?

Einem erfahrenen Chirurgen muss da sofort eine rote Lampe aufleuchten. Kürzlich wollte eine Zweiundzwanzigjährige ihr Doppelkinn weghaben. Aber da war keins. Doch, behauptete sie und drückte ihr Gesicht fest nach unten. Ich konnte es ihr zum Glück ausreden. Wenn so jemand in die falschen Hände gerät, macht einer Umsatz, und der Patient ist immer noch unglücklich. Weil das Problem woanders liegt. Manchmal braucht es kein Skalpell, sondern einen Therapeuten.

Was, wenn eine Klientin von Ihnen hören will, was sie an sich machen könnte?

«Gehen Sie heim, und finden Sie heraus, was Sie stört, und kommen Sie dann wieder», antworte ich immer. Ich gebe Klienten niemals Empfehlungen. Das ist eine goldene Regel. Sonst glauben sie es mir am Ende noch, obwohl es sie gar nicht störte.

Denken Sie, dass Anti-Aging heute einen höheren Stellenwert hat?

Nein, nur verfügt man heute über mehr Mittel. Aber beschäftigt hat es die Menschheit schon immer. Es hat noch nie jemand gerne alt und hässlich ausgesehen. Schon die schöne Diana von Poitiers, das war die Mätresse von Heinrich II., schluckte Goldkügelchen, um jung auszusehen, weil sie darunter litt, einen zwanzig Jahre jüngeren Liebhaber zu haben. Sie ist mit 66, immer noch bildhübsch, an einer Schwermetallvergiftung gestorben. Heute hat man natürlich mehr Möglichkeiten als im 16. Jahrhundert.

Wann ist ein Gesicht schön?

Wenn sich der Mensch dahinter wohlfühlt und eine gute Ausstrahlung hat. Es ist die Harmonie, die jemand ausstrahlt. Ein Mensch, der psychische Beschwerden hat, sich unwohl fühlt, sich seltsam bewegt, ist nicht schön. Er hat die Harmonie nicht. Es geht auch nicht um mathematische Modelle. Ein lebendiges Gesicht muss ein bisschen asymmetrisch sein und eine ästhetische Mimik haben. Ein schönes Lächeln und schöne Zähne gehören auch dazu. Es erstaunt mich immer wieder, dass Leute zu mir kommen und es ein bisschen so und so haben möchten, dabei sind alle Zähne schief und gelb. Zu ihnen sage ich dann, machen Sie doch zuerst mal einen Termin beim Zahnarzt.


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