Brusterhaltung oder Brustrekonstruktion?

04.10.2021

Das Ziel jeder Brustkrebsbehandlung ist die vollständige Entfernung des Tumors. Durch ein besseres Verständnis der Tumorbiologie kann man heute in der Mehrheit der Fälle brusterhaltend operieren. Trotzdem ist die komplette Brustentfernung bei ungefähr einem Drittel aller Patientinnen unumgänglich. In diesen Fällen steht den Betroffenen eine Reihe von Rekonstruktionstechniken (sofort oder nachträglich) offen. Mit den Möglichkeiten der onko-plastischen Chirurgie stehen heute ganzheitliche Behandlungskonzepte zur Verfügung, welche die Tumorentfernung (onkologische Seite) und die Brustrekonstruktion (ästhetische Seite) optimal miteinander verbinden lassen.

Durch besseres Verständnis der Tumorbiologie hat sich das Verhältnis in der Behandlung von Brustkrebs immer mehr zugunsten Brust erhaltender Therapien verschoben. Trotzdem ist die Mastektomie bei ungefähr einem Drittel aller Patientinnen unumgänglich. Davon entscheidet sich jedoch nur ein geringer Anteil für eine sofortige Brustrekonstruktion. Dies, obwohl ein solcher Eingriff die Lebensqualität der betroffenen Frau positiv beeinflussen kann und keinerlei Nachteil bezüglich der Heilungsaussichten des Krebsleidens hat. Die Prognose ist nicht besser, wenn die Brust erst Jahre später wieder aufgebaut wird.

Sofortrekonstruktion oder späterer Wiederaufbau?

In den letzten Jahren gab es signifikante Weiterentwicklungen in den Rekonstruktionsmöglichkeiten, so dass die Eingriffe zu besseren ästhetischen Resultaten führen. Wichtig ist eine umfassende Beratung, wobei basierend auf dem Lebensstil, den onkologischen Bedürfnissen und der Anatomie, verschiedene Techniken evaluiert werden. Brustrekonstruktion kann sofort, das heisst zum Zeitpunkt der Mastektomie durchgeführt werden, oder auch erst Monate oder Jahre später. Dank verbesserter Bestrahlungsverfahren, Chemotherapie und Rekonstruktionsmethoden kann die Sofortrekonstruktion heute immer häufiger angeboten werden. Wenn ein sofortiger Brustaufbau gewünscht ist, kann die hautsparende Mastektomie durchgeführt werden. Hier von Vorteil ist, dass das Brustdrüsengewebe nur über einen kleinen Schnitt um die Brustwarze herum entfernt wird, die gesamte Haut jedoch beibehalten werden kann. Für viele Patientinnen stellt sich die Frage einer Brustwiederherstellung allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt, weil sie dies explizit so wünschen oder, weil sie zum Zeitpunkt der Erkrankung noch keine Kenntnisse über die Möglichkeiten der onko-plastischen Chirurgie hatten. Bei manchen Patientinnen wächst der Wunsch nach einem Brustwiederaufbau tatsächlich erst mit der Zeit. Eine Brustwiederherstellung ist selbstverständlich auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Wichtig ist, dass bereits vor Beginn der ersten Behandlung ein Plan erstellt wird, welcher sowohl medizinische Aspekte, wie auch Ängste bezüglich einer allfälligen Verstümmelung miteinbezieht. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass die onkologische Behandlung ohne Einbussen der Lebensqualität einhergeht.

Verschiedene Möglichkeiten für die Rekonstruktion

Die Entwicklungen in der Brustrekonstruktion sind heute so fortgeschritten, dass für jede Frau mehrere Arten von Brustaufbau in Frage kommen. Hierbei wird versucht, die individuellen Wünsche zu berücksichtigen. Es gibt grundsätzlich drei Arten des Brustaufbaus:

  1. mit einem Implantat aus Silikon;
  2. Implantat kombiniert mit Eigengewebe vom Rücken;
  3. nur Eigengewebe vom Bauch, vom Oberschenkel oder vom Gesäss
     

Rekonstruktion mittels Implantat und Expander

Heute stehen uns Implantate von höchster Qualität in einer sehr breiten Palette von Grössen und Formen zur Auswahl, sodass das Resultat einer möglichst natürlichen Brust auch mit einem Fremdkörper realistisch ist. Häufig muss für diese Operationstechnik das Gewebe und insbesondere der Brustmuskel vorgängig gedehnt werden. Dabei eignet sich wie bei der Sekundärrekonstruktion der sog. Expander. Bei diesem Vorgehen wird ein Expander durch die bereits bestehende Narbe zwischen Rippen und Brustmuskel eingesetzt. Der Expander ist ein leeres, auffüllbares Silikonkissen. Er wird sukzessive aufgefüllt, sodass die Haut gedehnt wird, was mehrere Monate dauern kann. In einem zweiten Eingriff wird der Expander dann gegen das Silikon-Implantat ausgetauscht.

Rekonstruktion mit Implantat und Gewebematrix

Bei einer Primärrekonstruktion kommt die sog. Gewebematrix zum Einsatz. Es handelt sich dabei um ein relativ neues Verfahren, das dazu dient, das Weichteilgewebe zu stärken. In gewissen Fällen kann hier auf die Vordehnung mittels Expander verzichtet und das definitive Implantat, kombiniert mit der Gewerbematrix aus Schweinehaut, direkt eingesetzt werden. Dabei wird die Matrix einerseits an der Brustmuskulatur fixiert und anderseits an der Brustunterfalte. So kann in einem einseitigen Verfahren eine Implantatrekonstruktion mit sehr guten ästhetischen Resultaten erzielt werden. Erste Studien zeigen auch, dass das Risiko einer Kapselfibrose signifikant reduziert werden kann.Rekonstruktion mit Implantat und Gewebematrix

Rekonstruktion mit Rückenmuskel und Implantat

Dieses Verfahren wird angewendet, wenn die Weichteile in der Brustregion sehr spärlich vorhanden sind oder bereits eine Bestrahlung durchgeführt wurde. Bei dieser Rekonstruktionstechnik wird ein durchblutetes Gewebeteil (flächiger Muskel mit Hautinseln) aus dem Rücken in die Brustregion transferiert, indem es zuerst von der Unterlage abgelöst und dann von hinten nach vorne gedreht wird. Mit dem Gewebe wird die neue Brust rekonstruiert. Je nach Grösse der gesunden Brust muss zusätzlich ein Implantat eingesetzt werden, um das gleiche Volumen wie auf der Gegenseite zu erreichen.Rekonstruktion mit Eigengewebe vom Rücken

Rekonstruktion mit Eigenwebe

Am meisten Fortschritte gab es bei den Rekonstruktionstechniken mit Eigengewebe, wo kein Muskel mehr verwendet wird, sondern nur Fettreserven. Diese können vom Bauch, vom Gesäss oder vom Oberschenkel entnommen werden. Dabei wird das Gewebe zur Brustwand transferiert und mittels mikrochirurgischer Technik an neue Blutgefässe wieder angeschlossen. Diese Verfahren können sowohl in der Sofortrekonstruktion als auch in der späteren Rekonstruktion verwendet werden. Der grösste Vorteil dieser Methode ist, dass es ein natürliches Resultat ohne Verwendung von Implantaten gibt, es muss jedoch eine zusätzliche Narbe in Kauf genommen werden. Leider ist es auch dank neuesten Techniken und vielversprechenden Methoden nicht immer möglich, bei der Rekonstruktion eine identische Brust, welche exakt der früheren Brust entspricht, zu erreichen. Unterschiede in Form und Grösse sind häufig zu erwarten. In diesem Fall ist im Anschluss an die Rekonstruktion ev. symmetrisierende Eingriffe an der gesunden, unbetroffenen Seite notwendig. Diese reichen von der Bruststraffung zur Brustverkleinerung bis hin zur Vergrösserung.
Rekonstruktion mit Eigengewebe vom Bauch, Oberschenkel oder Gesäss

Brustwarzenrekonstruktion

Die Wiederherstellung der Brustwarze stellt den letzten Schritt in der Vervollständigung der Brustrekonstruktion dar. Erst nach dem Aufbau der Brustform und allenfalls notwendigen symmetrisierenden Korrektureingriffen kann die Wiederherstellung der Brustwarze geplant werden. Aber nicht jede Patientin erachtet diesen Teil der Wiederherstellung als relevant und verzichtet dementsprechend darauf. Die Wiederherstellung von Brustwarze und Brusthof werden unterschiedlich durchgeführt. Am häufigsten wird eine kleine Hautverschiebung auf der rekonstruierten Brust durchgeführt. Der Brustwarzenhof wird entweder durch Tätowierung oder Hautverpflanzung vom Oberschenkel wieder hergestellt.

Korrektureingriffe

Nicht immer entspricht das Resultat einer Brust erhaltenden Chirurgie oder einer Brustrekonstruktion den Erwartungen der Patientin. Hierfür kann es verschiedene Gründe geben: sei es, dass sich die Form der Brust mit den Jahren verändert hat, es zu einer starken Kapselfibrose gekommen ist oder dass bei der Brust erhaltenden Therapie zu viel Gewebe entfernt werden musste. Für alle diese Probleme gibt es heutzutage eine Reihe von Korrekturmöglichkeiten.

Prothesenwechsel bei Kapselfibrose

Das Einsetzen eines Implantats führt zu einer Fremdkörperreaktion mit der Bildung einer dünnen Kapsel, welche in den meisten Fällen weich bleibt. In gewissen Fällen, insbesondere im Anschluss an eine Bestrahlungstherapie, kommt es zu einer Kapselfibrose. Hierbei handelt es sich um eine harte bindegewebsartige, teilweise schmerzhafte Kapsel, die mit einer starken Verformung der Brust einhergeht. Das Implantat muss ausgewechselt und die Kapsel teilweise entfernt werden.

Ersatz des Implantats durch Eigengewebe

Bei starker, ausgedehnter Kapselfibrose und wenn bereits ein Prothesenwechsel nicht zur gewünschten Verbesserung geführt hat, besteht die Möglichkeit des Wechsels des Implantates zu Eigengewebe. Hierbei kommen alle Methoden der Eigengewebsrekonstruktion in Frage. Der grosse Vorteil dieser Techniken ist, dass sie zu einem permanenten Resultat führen und keine weiteren Operationen mehr notwendig sein werden.

Korrekturen mit Eigenfettinjektionen

Im Anschluss an eine Brust erhaltende Therapie oder Brustrekonstruktion kann es zu Dellen, Weichteildefekten oder starken Narbeneinziehungen kommen. Eigenfettinjektion hat sich in diesen Fällen als eine sehr gute Methode zur Korrektur dieser punktuellen Unebenheiten etabliert. Wie bei einer Liposuktion wird Fettgewebe entnommen, in einem speziellen Verfahren aufbereitet, um dann an der gewünschten Stelle wieder injiziert zu werden. In manchen Fällen muss dieser Eingriff wiederholt werden. Es handelt sich aber um einen minimalinvasiven Eingriff mit sehr hoher Patientenzufriedenheit.

Ohne Umwege zum Ziel: für mehr Lebensqualität und körperliche Integrität

Das Ziel jeder Brustkrebsbehandlung ist, dass sie ohne Umweg direkt zum gewünschten Resultat führt und für die Patientin mit möglichst wenig Aufwand und Komplikationen verbunden ist. Die bestmögliche Krebsbehandlung soll immer mit dem Erhalt der Lebensqualität und der körperlichen Integrität einhergehen.

Weitere Informationen zum Thema Brustkrebs finden Sie unter Zentrum für Brustkrebschirurgie.

Autoren: Dr. med. Cédric A. George / Prof. Dr. med. Jian Farhadi